Der israelische Autor hat mir seit langem wieder den Lesegenuss gegeben, den man sich als Leser immer herbeisehnt. Man beginnt die erste Seite und hört nicht wieder auf. (übrigens nebenbei erwähnt: auch der neue Arno Geiger hat es diesen Monat bei mir geschafft!). Zurück zu Über uns: drei Stockwerke eines Hauses, drei Geschichten. Nevo erzählt auf intensive, dichte, humorvolle Weise das Leben der Bewohner im heutigem Tel Aviv. Interessanterweise sind die Lebensgeschichten der Protagonisten in Form von drei langen Monologen (meist in Briefform) geschrieben, die sich darin nach und nach entblössen und es treten (wie erwartet) Geheimnisse und Abgründe hervor. Die Sprache Nevos ist wie in all seinen Romanen klug, unterhaltsam und kurzweilig und mit grosser Empathie für seine Figuren.
Arnon und Ayelet haben seit der Schwangerschaft Probleme mit dem Sex. Damit die Dinge wieder ins Lot kommen zwischen ihnen, passen Ruth und Hermann, das reizende ältere Ehepaar von nebenan, gern auf ihre kleine Tochter auf. Ein Stockwerk drüber hadert Chani Doron, die »Witwe« (ihr Mann ist ständig auf Geschäftsreise), mit ihrem Leben und Dvorah Edelman, ehemalige Richterin und tatsächlich verwitwet, träumt in der obersten Etage nachts davon, ihr Über-Ich werde amputiert. Lügen und Selbsttäuschung durchdringen Alltag und Familienleben. Nevo wirft Licht in die dunklen Winkel der menschlichen Natur und ist seinen Figuren zugleich mitfühlender Freund. Einfach davonkommen aber lässt er sie nicht ...