Mit ihrem Buch „Bodentiefe Fenster“ stand Anke Stelling 2015 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Auch ihr neues Buch „Schäfchen im Trockenen“ hat viel von dieser charmanten und interessanten Mischung aus Introspektion und Gesellschaftsbetrachtung. Das Buch erzählt die Geschichte der Autorin und 4-fachen Mutter Resi. Sie ist ein Arbeiter*innenkind, Aufsteiger*in und die einzige in ihrer Clique, die aus einfachen Verhältnissen stammt. Während der Schulzeit und des Studiums scheint die unterschiedliche Herkunft der Freund*innen keine große Rolle zu spielen. Irgendwann sind sie erwachsen geworden und selber Eltern und Resi und ihr Mann sind die einzigen die nicht erben und damit eben kein Eigenheim finanzieren können. Und spätestens jetzt stellt sich die Frage: Ist die Herkunft wirklich so unwichtig wie immer alle behauptet haben?
Resi hätte wissen können, dass ein Untermietverhältnis unter Freunden nicht die sicherste Wohnform darstellt, denn: Was ist Freundschaft? Die hört bekanntlich beim Geld auf. Die ist im Fall von Resis alter Clique mit den Jahren so brüchig geworden, dass Frank Lust bekommen hat, auszusortieren, alte Mietverträge inklusive. Resi hätte wissen können, dass spätestens mit der Familiengründung der erbfähige Teil der Clique abbiegt Richtung Eigenheim und Abschottung und sie als Aufsteigerkind zusehen muss, wie sie da mithält. Aber Resi wusste’s nicht. Noch in den Achtzigern hieß es, alle Menschen wären gleich und würden durch Tüchtigkeit und Einsicht demnächst auch gerecht zusammenleben. Das Scheitern der Eltern in dieser Hinsicht musste verschleiert werden, also gab’s nur drei Geschichten aus dem Leben ihrer Mutter, steht nicht mehr als ein Satz in deren Tagebuch. Darüber ist Resi reichlich wütend. Und entschlossen, ihre Kinder aufzuklären, ob sie’s wollen oder nicht. Sie erzählt von sich, von früher, von der Verheißung eines alternativen Lebens und der Ankunft im ehelichen und elterlichen Alltag. Und auch davon, wie es ist, Erzählerin zu sein, gegen innere Scham und äußere Anklage zur Protagonistin der eigenen Geschichte zu werden.