Kamenz in der Lausitz: Hier arbeitet Jan als Pfleger im demnächst schließenden Krankenhaus
und lebt mit seinem Vater in einer Einfamilienhaussiedlung. Seine Mutter ist tot. Ein im
Rollstuhl sitzender Mann drängt Jan ein Konvolut Dokumente auf, in dem sich Briefe von
Günter Kern an seinen Bruder Georg, weltberühmt unter dem Namen Baselitz, befinden. Ein
Roman der auf drei Zeitebenen spielt - in der Zeit zwischen Kriegsende und Mauerbau, in den
1980er Jahren und der Jetztzeit – und von den Verstrickungen zweier Familien erzählt. Ein
Buch, das die Auswirkungen gesellschaftlicher Transformationsprozesse in berückenden
Bildern sichtbar macht. Großartig!
Jan und seine Eltern sprechen nicht viel über das Heute und erst recht nicht über das Gestern. Erst als Herr Kern auftaucht, kommt das fragile Gleichgewicht der Familie ins Wanken: Welche Beziehung führte Jans Mutter mit dem Vater von Herrn Kern? Und was haben die Kerns mit der Kunst von Georg Baselitz zu tun? Immer weiter arbeitet sich Jan durch das Schweigen mehrerer Generationen, taucht ein in die Geschichte der Baselitz-Brüder, die Geschichte seiner Eltern und begreift, dass die Gegenwart nicht nur aus der eigenen Vergangenheit besteht.
Behutsam und voller Empathie zeichnet Lukas Rietzschel ein eindrückliches Bild von Menschen, die durch große gesellschaftliche und politische Veränderungen geprägt sind -- und von Verletzungen, die sich durch Generationen hindurchziehen und scheinbar nie verheilen.