Endlich wieder ein neues Buch von Juli Zeh. Und was für eins. Nach ihrem Megaerfolg „Unterleuten“, dem schwächeren, darauf folgenden „Leere Herzen“ heißt Ihr neuestes Werk „Neujahr“.
Psychologisch dicht entblättert sich in „Neujahr“ langsam und allmählich die beklemmende Geschichte des Protagonisten Henning. Eine längst vergessene, verdrängte Episode aus seiner Kindheit, der er sich
bis heute nicht stellen konnte, drängt sich ein sein Bewußtsein zurück. Die Geschichte ist fesselnd und manchmal kaum auszuhalten. Juli Zeh zählt schon seit vielen Jahren zu meinen Lieblingsautorinnen und beweist mit diesem Buch wieder einmal warum.
Lanzarote, am Neujahrsmorgen: Henning sitzt auf dem Fahrrad und will den Steilaufstieg nach Femés bezwingen. Seine Ausrüstung ist miserabel, das Rad zu schwer, Proviant nicht vorhanden. Während er gegen Wind und Steigung kämpft, lässt er seine Lebenssituation Revue passsieren. Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Er hat zwei gesunde Kinder und einen passablen Job. Mit seiner Frau Theresa praktiziert er ein modernes, aufgeklärtes Familienmodell, bei dem sich die Eheleute in gleichem Maße um die Familie kümmern. Aber Henning geht es schlecht. Er lebt in einem Zustand permanenter Überforderung. Familienernährer, Ehemann, Vater – in keiner Rolle findet er sich wieder. Seit Geburt seiner Tochter leidet er unter Angstzuständen und Panikattacken, die ihn regelmäßig heimsuchen wie ein Dämon. Als Henning schließlich völlig erschöpft den Pass erreicht, trifft ihn die Erkenntnis wie ein Schlag: Er war als Kind schon einmal hier in Femés. Damals hatte sich etwas Schreckliches zugetragen - etwas so Schreckliches, dass er es bis heute verdrängt hat, weggesperrt irgendwo in den Tiefen seines Wesens. Jetzt aber stürzen die Erinnerungen auf ihn ein, und er begreift: Was seinerzeit geschah, verfolgt ihn bis heute.