Die Geschichte eines mutigen Jungen, die mich sehr beeindruckt hat.
Gulwali Passarlay wuchs in einer traditionellen afghanischen Paschtunen-Familie auf. Mit nur zwölf Jahren schickt ihn seine Mutter Richtung Europa, um ihn vor dem blutigen Konflikt der Taliban mit den US-Soldaten zu retten, dem bereits sein Vater zum Opfer gefallen war. Seine Flucht ist eine atemberaubende Odyssee durch acht verschiedene Länder, die er als Junge alleine bewältigen muss: das vollständige Ausgeliefertsein an die Schlepper, gefährliche Grenzübertritte, Hunger und Erschöpfung, Gefängnisaufenthalte, eine Bootsfahrt übers Mittelmeer, die er nur haarscharf überlebt. Nach zahllosen Versuchen gelingt ihm schließlich die Einreise in England, wo er sich mit großem Bildungshunger ein neues Leben aufbaut. Die packend erzählte und emotional aufrüttelnde Geschichte eines Flüchtlingsjungen, der es geschafft hat, sich in der westlichen Welt zu behaupten.
»Bevor ich starb, stellte ich mir vor, wie es sich wohl anfühlen würde zu ertrinken. Ich wusste, das war das Ende. So würde ich also sterben, weit weg von der Wärme meiner Mutter, der Kraft meines Vaters und der Liebe meiner Familie. Die weißen Wellen würden ihren Rachen aufreißen, mich verschlingen und meinen jungen Körper in die eisigen, finsteren Tiefen ziehen. 'Morya, Morya!', schrie ich und flehte meine Mutter an, ihren zwölfjährigen Sohn in ihre Arme zu nehmen und in Sicherheit zu bringen. Diese Reise sollte doch der Anfang meines Lebens sein und nicht das Ende.
Irgendwo habe ich mal gehört, dass das Ertrinken ein friedlicher Tod sein soll. Wer das behauptet, hat nicht miterlebt, wie sich erwachsene Männer vor Angst in die Hosen machen, während ihr überfülltes Boot mit Motorschaden auf dem Mittelmeer durch einen Sturm treibt …
Aber ich wollte nicht aufgeben. Ich war seit fast einem Jahr unterwegs. In dieser Zeit hatte ich jede kindliche Unschuld verloren. Ich hatte unaussprechliche Demütigungen und Gefahren erlitten, ich hatte zugesehen, wie Männer zusammengeschlagen wurden, war aus einem rasenden Zug gesprungen, war tagelang in glühend heißen Lastwagen eingesperrt gewesen, war zu Fuß über halsbrecherische Bergpfade gewandert, um Grenzen zu überqueren, hatte zweimal im Gefängnis gesessen und war von Grenzsoldaten beschossen worden. Kaum ein Tag war vergangen, an dem ich nicht erlebt hatte, mit welcher Unmenschlichkeit Menschen einander behandeln. Aber wenn ich so weit gekommen war, dann würde ich auch noch weiter kommen.«