Fretten – das bedeutet so etwas wie ‚sich wund reiben, sich mühevoll abplagen‘. Es ist ein furioses, sprachgewaltiges Buch, das Helena Adler uns da förmlich entgegenschleudert. Ein Buch über das Landleben abseits von Beschaulichkeit und Landlust. Es ist eng und bedrückend, stumm und stickig. Da wird geschimpft und gelästert, aber miteinander gesprochen wird nicht. Zu riskant, denn da könnte aufgedeckt werden, was lieber verschwiegen wird. Die Heldin ist jüngste Tochter des gescheiterten Bauern und mit ihrer Bande geht sie über alle Grenzen, auch die unausgesprochenen. Heldin? Nein, die Geschichte ist fern von Glorifizierung. Man folgt Helena Adlers reichen Sprachkaskaden auf einer Welle warmer Wut und prachtvoller Wucht, zum Soundtrack eines historischen Schweigens, das stumm alles niederbrüllt.
Wer „Die Infantin trägt den Scheitel links“, das letzte Buch von Helena Adler, mochte, wird auch „Fretten“ lieben. Unbedingt ein Buch für alle, die den Sound österreichischer Literatur schätzen.
„Es fühlt sich an, als wäre die ganze Welt längst zerbrochen und wir die Scherben, die niemand aufsammeln will.“
Dem Elternhaus ist sie mit knapper Not entkommen, da bemerkt sie, die jüngste Tochter des Pleitebauern: Der Provinz entkommt man nicht. Also schließt sie sich einer Bande von Vandalen und Störenfrieden an, die die Provinz in die nahe Stadt tragen, den Schlachthof plündern und in Tierkadavern Drogen schmuggeln. Sie tanzen und sie wüten, sie spielen mit ihren Leben, weil sie es gewohnt sind, zu verlieren. Die Party ist erst aus, wenn die nächste beginnt, das Motto lautet »Überleben«. Bis plötzlich nicht nur die eigene Existenz auf dem Spiel steht: Sie gebiert einen Sohn, den sie liebt wie einen Erlöser, und wird in dieser Liebe zu einem Scheusal im Kampf gegen die Sterblichkeit.
Fretten ist ein Bastard, ein Bankert, ein Mischling aus Lebensanklage und Liebeserklärung, gezeugt im Rausch der Verewigungssucht, im heiligen Zorn auf die Existenz und den Tod, geboren in Trümmern aus der Lust am Tabubruch. Es nennt beim Namen, was einen Namen hat, und zwar nicht zwischen den Zeilen,
sondern Schwarz auf Schwarz, mit Sprachgewalt und einem Galgenhumor, dass einem die Luft wegbleibt.
Nominiert für den Österreichischen Buchpreis. Auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis.
"Helena Adler schreibt Prosa, die sich durchs Fleisch bohrt, um für immer in den Knochen zu bleiben. Das ist wild-wuchernde Sprachkunst, die einzigartig ist in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur." Katja Gasser